Diese Case Study ist zuerst in unserem beabee-Newsletter erschienen. In dem geben wir ein mal im Monat handfeste Tipps und Anleitungen, wie Community-Journalismus funktioniert. Du kannst den Newsletter hier abonnieren: Zur Anmeldung

Lokaljournalismus muss nah bei den Leuten sein. Communty-zentrierter Lokaljournalismus erst Recht. Nicht ohne Grund hat Rums aus Münster seine Redaktion in einem Ladenlokal in der Innenstadt, Tsüri.ch im Sommer eine Bar geschmissen und CORRECTIV eine Pop-Up-Redaktion in Bottrop gegründet, um zum dortigen Apothekerskandal zu recherchieren.

CORRECTIV-Publisher David Schraven war in einer unserer beabee-Lunchbreaks zu Gast, hat aber nicht von CORRECTIV, sondern vom Marktviertel in Bottrop berichtet. Das ist eine Initiative zur Belebung der Bottroper Innenstadt, an der David mit anderen Mitstreitern beteiligt ist. Im Zentrum aller Aktivitäten steht ein Kaffeewagen, an dem die Community zusammenkommt. Warum ein solcher Ort für Community-Redaktionen zum Game Changer werden kann, erfährst du in diesem Newsletter.

Das ist das Marktviertel:

  • Das Marktviertel ist eine Initiative von Bottroper Händlern, Gastronomen und Aktiven.
  • Das Ziel ist die Belebung der Innenstadt rund um den Bottroper Wochenmarkt.
  • Angefangen hat alles mit einem Kaffeewagen, der Samstags auf dem Wochenmarkt steht.
  • Mittlerweile gibt es auch einen kleinen Kiosk mit Kaffeebohnen und Deko, außerdem haben einige Veranstaltungen stattgefunden, zum Beispiel ein Dokukino oder ein Musikfestival.
  • Aus der Initiative ist dann auch das Marktviertel-Briefing enstanden, ein wöchentlicher Newsletter von David Schraven, der jetzt zu einem neuen Lokalmedium für Bottrop ausgebaut werden soll.

Ein physischer Ort als Treffpunkt für die Community: 

  • Das Marktviertel zeigt wie wichtig es sein kann, der Community einen physischen Ort zu bieten.
  • Dort können sich Menschen treffen uns austauschen und so auch leichter hinter einer Idee vereint werden. Eine zentraler Ort hilft, die eigene Mission untermauern
  • Gerade Community-zentrierte Lokalmedien können mit einem physischen Ort Offenheit, Transparenz und Erreichbarkeit signalisieren.

Vom Kaffeewagen zum Newsletter-Medium:

  • Der zentrale Anlaufpunkt für die Community des Marktviertels ist ein kleiner Kaffeewagen.
  • Der Kaffeewagen steht jeden Samstag auf dem Bottroper Wochenermarkt.
  • Warum ausgerechnet Kaffee? „Kaffee ist das beste Getränk, um alle zusammenzubringen. Kaffee wird in jeder Kultur getrunken und es gibt ihn von ganz billig, als Espresso für einen Euro, bis hin zu teuer, also aufwendigen Spezialitäten”, sagt David Schraven.
  • Ziel des Wagens ist es, die Straßen und Geschäfte rund um den Wochenmarkt zu beleben, die Menschen in die Stadt zu ziehen und zum Verweilen einzuladen.
  • Aus dieser Grundidee sind einige weitere Projekte entstanden, unter anderem auch das Marktviertel-Briefing.
  • Dadurch, dass am Kaffeewagen die ganze Community zusammenkommt, ergaben sich immer wieder Ansatzpunkte für journalistische Recherchen und Berichterstattung.
  • „Wenn du als Journalist zwei Stunden am Kaffeewagen stehst, weißt du so gut wie alles, was in der Stadt passiert“, sagt David Schraven, „du bist mitten im Geschehen. Mittlerweile ist das zu einer Art Sprechstunde geworden.” Um diese Quellen zu nutzen, ist daraus die Idee des Marktviertel-Briefings entstanden.
  • Das Marktviertel-Briefing ist jetzt ein wöchentlicher Newsletter, in dem über die Entwicklung der Innenstadt berichtet wird.
  • Aktuell hat das Briefing rund 1.000 Abonnenten. Im nächsten Jahr soll das Produkt kostenpflichtig werden, was dann die Professionalisierung und den Ausbau des Briefings zu einem neuen Lokalmedium für Bottrop ermöglichen soll.

Wichtigste Learnings: 

  • Community first: Bei der Marktviertel-Initiative ging es zuerst darum, gemeinsam mit einer Community die Bottroper Innenstadt zu beleben, also Menschen hinter einer gemeinsamen Idee zu vereinen. Erst im zweiten Schritt ist daraus die Idee entstanden, auch ein neues Lokalmedium aufzubauen, das über den Wandel der Innenstadt berichtet. Zuerst war die Community da, dann das journalistische Produkt.
  • Ein physischer Ort öffnet Quellen: Wer als Redaktion auch physisch greifbar ist, bekommt einen ganz anderen Zugang zu Menschen und ihren Geschichten. Beim Marktviertel ist die Idee des Briefings überhaupt nur entstanden, weil Menschen das Bedürfnis hatten, ihre Geschichten zu erzählen.
  • Abgrenzung von der Konkurrenz: Viele klassische Lokalredaktionen sind in nichtssagenden Bürogebäuden oder den Obergeschossen der Einkaufsstraßen untergebracht. Wer als Community-Redaktion einen Ort der Begegnung und des Austauschs entgegensetzt, vermittelt automatisch ein anderes Bild von der Art, wie Journalismus gemacht wird und grenzt sich automatisch ab.
  • Ort kann auch Einnahmequelle sein: So ist es zumindest beim Kaffeewagen des Marktviertels und je nachdem, wie dein Ort aussieht, gibt es noch andere Möglichkeiten. Das Bürgerportal Bergisch Gladbach bietet in seinen Redaktionsräumen zum Beispiel Co-Working-Schreibtische an. Der Buchladen von CORRECTIV in Essen war nicht nur Ort für Veranstaltungen, sondern auch Redaktion, Kaffee und eben Buchladen in einem.

Du hast eigene Erfahrungen oder Use cases, die wir aufnehmen sollen? Dann schreib einfach eine E-Mail an tobias.hauswurz@correctiv.org.