Diese Case Study ist zuerst in unserem beabee-Newsletter erschienen. In dem geben wir ein mal im Monat handfeste Tipps und Anleitungen, wie Community-Journalismus funktioniert. Du kannst den Newsletter hier abonnieren: Zur Anmeldung

Über Geld spricht man nicht, finden viele. Wir sollten es trotzdem tun, finde ich. Denn sind wir ehrlich: Bei den meisten von uns schlägt das Journalistenherz etwas höher als das Unternehmerinnenherz. Deshalb sollten wir anfangen, voneinander zu lernen: Wie geht das mit dem Geld verdienen?

Georg Watzlawek vom Bürgerportal Bergisch Gladbach hat gleich mehrere Antworten auf diese Frage gefunden. Er hat uns wertvolle Einblicke in sein sehr diversifiziertes Geschäftsmodell und die verschiedenen Einnahmequellen des Bürgerportals gewährt.

Community-Journalismus setzt im Kern auf die Finanzierung durch Mitglieder. Gerade für Lokalredaktionen mit einer naturgemäß eher kleinen Community ist das aber in der Regel nicht ausreichend, um alle Kosten zu decken. Mitgliederfinanzierung sollte als ein stabiles Fundament, eine Art Grundsicherung verstanden werden, auf dem weitere Ertragsmodelle aufgebaut werden können.

Das Bürgerportal Bergisch Gladbach im Überblick:

  • Das Bürgerportal Bergisch Gladbach wurde 2009 von Georg Watzlawek gegründet und sieht sich als „klassische Heimatzeitung”, die aber nur digital und nicht gedruckt erscheint.
  • Der tägliche Newsletter ist das Hauptprodukt des Bürgerportals. Georg Watzlawek bezeichnet ihn gerne als moderne, digitale Tageszeitung. Der Newsletter ist kostenfrei, erscheint jeden Morgen um 7 Uhr und fasst kompakt zusammen, was in der Stadt passiert ist und passieren wird. Aktuell haben rund 12.000 Menschen den Newsletter abonniert. Wegen der zusätzliche Verteilung über Messenger und Social Media geht das Bürgerportal von etwa 16.000 Lesern täglich aus.
  • Die Website des Bürgerportals hat aktuell rund 160.000 Unique User pro Monat. Vor der Corona-Pandemie waren es laut Georg Watzlawek im Schnitt etwa 80.000 – 100.000.
  • Der Freundeskreis des Bürgerportals hat rund 700 Mitglieder, die einen freiwilligen Unterstützerbeitrag bezahlen. Gleichzeitig verzichtet das Bürgerportal auf eine Paywall: Alle Inhalte sind für alle Leserinnen und Leser frei zugänglich.
  • Das Bürgerportal bezieht die Community regelmäßig in die Berichterstattung mit ein, befragt sie zu Themen oder lädt sie zu regelmäßigen „BürgerClubs” und größeren Veranstaltungen ein, zuletzt zur Bundestagswahl.
  • Das Team besteht aus 4 Personen. Georg Watzlawek arbeitet als einziger Vollzeit. Außerdem setzt das Bürgerportal noch auf Bürgerreporter, die regelmäßig Artikel schreiben, die von der Redaktion redigiert werden. In der Regel sind das Spezialthemen, mit denen sich die Bürgerreporter gut auskennen.
  • Auch Vereine, Organisationen oder Bürgerinitiativen haben die Möglichkeit, eigene Beiträge bzw. Pressemitteilungen auf dem Bürgerportal zu veröffentlichen. Diese Beiträge werden von der Redaktion freigegeben und entsprechend gekennzeichnet. Dadurch hat die Redaktion mehr Zeit für andere Dinge.
  • Die Redaktion befindet sich in der Innenstadt von Bergisch Gladbach, direkt am Rande der Fußgängerzone in einem Co-Working-Space, der seit 2019 vom Bürgerportal betrieben wird.

Wie das Bürgerportal Geld verdient

  • Werbung macht etwa 60 bis 70 Prozent der Einnahmen des Bürgerportals aus. Es setzt dabei auf dezente Werbebanner auf der Website. Es ploppt nichts auf, es blinkt und nervt nichts. Auch der tägliche Morgen-Newsletter enthält solche Werbebanner.
  • Rund 700 Mitglieder im Freundeskreis zahlen im Schnitt freiwillig 7 € pro Monat, um die Arbeit des Bürgerportals zu unterstützen. Sie bekommen dafür je nach Beitrag zum Beispiel Zugang zu Veranstaltungen, können das Archiv nutzen oder bei inhaltlichen Schwerpunkten mitentscheiden.
  • Analog zu den Mitgliedschaften von Einzelpersonen, bietet das Bürgerportal Partnerprogramme für Vereine, Organisationen und Unternehmen aus Bergisch-Gladbach und der Region an. Sie zahlen je nach ihrer Größe und Finanzkraft einen jährlichen Beitrag. Im Gegenzug tauchen sie mit einer kurzen Vorstellung auf der entsprechenden Partnerseite auf und können zum Beispiel die Konferenzräume des Co-Working-Spaces kostenfrei nutzen oder an Workshops teilnehmen. Außerdem können sie im Newsletter Stellenanzeigen veröffentlichen.
  • Advertorials heißen beim Bürgerportal „Experten-Kolumnen” und sind klar als Werbung gekennzeichnet. Unternehmen wie Steuerberater, Anwälte oder Garten- und Landschaftsbauer berichten darin regelmäßig über Themen aus ihrem Bereich.
  • Veranstaltungen wie die Wahl-Arena finanziert das Bürgerportal über Sponsoring. Auch für den Newsletter, größere Serien oder Videoformate gibt es regelmäßig Sponsoren.
  • Für die Videoformate oder größere Projekte wie virtuelle Touren durch die Stadt, arbeitet das Bürgerportal in der Regel mit Kooperationspartnern zusammen, die die Produktion übernehmen. Durch die Kooperationen zahlt das Bürgerportal weniger als die marktüblichen Preise. Die Partner werden genannt und profitieren von der hohen Reichweite.
  • Auch über den Co-Working-Space verdient das Bürgerportal Geld. Er dient gleichzeitig auch als Arbeitsplatz der Redaktion und als Ort für kleinere Veranstaltungen.
  • Das Bürgerportal ist auch immer auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass das kleine Team mit der Arbeit extrem ausgelastet ist. Höhere Einnahmen würden direkt in mehr Personal gesteckt, sagt Georg Watzlawek.

Was wir gelernt haben

  • Menschen zahlen freiwillig: Die Community-Mitglieder gehen mit der Redaktion einen sozialen Vertrag ein: Sie bezahlen aus der Überzeugung heraus, etwas sinnvolles zu tun. Für ihr Geld kaufen sie sich keine Inhalte, sondern werden Teil von etwas größerem als sie selbst. „Wir haben uns schon mehrmals aktiv gegen eine Paywall entschieden”, hat Georg Watzlawek in unserer beabee-Lunchbreak Mitte August gesagt, „wir setzen auf Reichweite und wollen möglichst alle Menschen erreichen, da wäre eine Paywall kontraproduktiv.” Obwohl sie alle Inhalte auch umsonst bekommen, unterstützen 700 Mitglieder das Bürgerportal freiwillig. Laut Georg Watzlawek vor allem, weil sie die Arbeit der Redaktion schätzen und für wichtig halten.
  • Werbung lohnt sich immer noch: Gerade im Lokalen ist Werbung nach wie vor ein wichtiger Faktor zur Finanzierung von journalistischen Projekten. Das Bürgerportal macht sogar den größten Teil seines Umsatzes mit Anzeigen. Das klappt vor allem wegen der hohen Reichweite und Bekanntheit in Bergisch Gladbach. Wichtig dafür ist aber auch die Arbeit mit der Community, weil sie die Sichtbarkeit erhöht und damit eine tiefe Verwurzelung in der Stadtgesellschaft einhergeht.
  • Unternehmen, Vereine und Institutionen mitnehmen: Mit seinen Partnerprogrammen hat das Bürgerportal ein weitere wichtige Einnahmequelle geschaffen. Für relativ wenig Gegenleistung unterstützen Unternehmen und Vereine die Arbeit des Bürgerportals, aus ähnlichen Gründen wie es Privatleute tun. Wichtig ist, dass die Erwartungen genau geklärt sind: Mit der Partnerschaft geht beim Bürgerportal kein Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung einher. Auch die Auswahl der Partner ist entscheidend: Mit der Stadtverwaltung in Bergisch Gladbach würde er zum Beispiel keine Partnerschaft eingehen, sagt Georg Watzlawek.
  • Community-Einbindung spart Geld: Dadurch, dass Vereine und Organisationen selbst Content liefern, kommt das Bürgerportal mit (gemessen an der Menge des Outputs) relativ wenig Mitarbeitern aus. Es handelt sich dabei zwar um klassische PR-Nachrichten, das Bürgerportal ist dadurch hinsichtlich der Themen aber trotzdem breiter aufgestellt. Die schlanke Organisationsstruktur spart Geld, Vereine und Organisationen wiederum profitieren, weil ihre Themen stattfinden.

Du hast eigene Erfahrungen oder Use cases, die wir aufnehmen sollen? Dann schreib einfach eine E-Mail an tobias.hauswurz@beabee.io.