Diese Case Study ist zuerst in unserem beabee-Newsletter erschienen. In dem geben wir ein mal im Monat handfeste Tipps und Anleitungen, wie Community-Journalismus funktioniert. Du kannst den Newsletter hier abonnieren: Zur Anmeldung

Wohl kaum ein lokaljournalistisches Startup in Deutschland hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen wie RUMS aus Münster. Die ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern auch das Ergebnis cleveren Marketings.

„Wir brauchen nur gute Geschichten, dann kommen die Leute von alleine.” Das glauben nach wie vor viele Journalistinnen und Journalisten. Leider stimmt das schon längst nicht mehr, Klappern gehört zum Geschäft. Vor allem für kleine, unabhängige Lokalredaktionen. Guten Content anzubieten bleibt weiter die Grundlage, ohne funktioniert es nicht. Aber der beste Content nützt nichts, wenn potentielle Leserinnen, Abonnenten oder Mitglieder ihn nicht sehen. Distribution ist genauso wichtig wie guter Content. Online konkurrieren Lokalmedien längst nicht mehr nur mit anderen Lokalmedien, wie es früher am Kiosk der Fall war, sondern mit einer Vielzahl von Angeboten, auch ganz anderer Natur. Es gibt immer mehr Angebote, der Tag hat aber nach wie vor nur 24 Stunden. Deshalb ist es wichtig, aus der Masse hervorzustechen.

Das ist RUMS: 

  • RUMS wurde 2020 gegründet um ein neues lokaljournalistisches Angebot für Münster zu schaffen.
  • Hauptprodukt ist ein Newsletter (von RUMS „Briefe” genannt), der zwei mal in der Woche erscheint und sich jeweils vor allem intensiv mit einem Thema beschäftigt.
  • Ergänzt wird das Angebot durch Kolumnen (jeden Sonntag), Reportagen auf der Website, Diskussions-Veranstaltungen und Podcasts.
  • Anfang Mai gab es einen Relaunch: Ab sofort bietet RUMS in seinen Briefen neben den tiefen Analysen auch kürzere und aktuellere Meldungen, Cartoons und Grafiken.
  • RUMS ist werbefrei und arbeitet mit einem Subscription-Modell mit harter Paywall. Das reguläre Abo kostet 10 Euro pro Monat.
  • Aktuell hat RUMS rund 2.000 Abonnentinnen und Abonnenten.

So macht RUMS Marketing: 

  • RUMS geht es beim Marketing vor allem darum, möglichst mehrere unterschiedliche Touchpoints zu kreieren, also Gelegenheiten, bei denen die Menschen in Münster mit RUMS in Kontakt kommen.
  • RUMS ist aktiv auf Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn und nutzt Social Media vor allem, um Bekanntheit aufzubauen und die Marke zu stärken, aber auch um Gruppen und Personen gezielt anzusprechen (z.B. in Facebookgruppen).
  • Die Redaktion postet vor allem Teaser zu den Briefen und Kolumnen, nutzt die Kanäle aber auch für kleinere aktuelle Meldungen. Das soll jetzt noch weiter ausgebaut und auch exklusiver Social-Media-Content produziert werden.
  • Auf Facebook arbeitet RUMS auch mit bezahlter Reichweite (Budget: 300 bis 500 Euro im Monat). Dabei ist vor allem der Content entscheidend. Anzeigen waren laut RUMS-Mitgründer Marc-Stefan Andres nie sonderlich erfolgreich.
  • Online-Veranstaltungen zu Themen die Stadtgespräch sind, betrachtet RUMS (nicht nur aber) auch als Marketing. Moderiert von der Redaktionen können Teilnehmende dabei mit Gästen aus Politik und Verwaltung diskutieren.
  • Die Veranstaltungen sind für alle frei zugänglich, bis zu 100 Menschen nehmen regelmäßig teil.
  • Der Aufwand dafür ist eher gering: „Eigentlich muss man nur die Gäste einladen und sich ein paar Fragen überlegen”, sagt Marc-Stefan Andres, „die Leute bekommen aber eine ganz hohe Bindung zu uns und empfehlen uns weiter.”
  • Rund 80.000 Flyer ließ RUMS im letzten Jahr in Münster verteilen, direkt in Briefkästen aber auch an neuralgischen Punkten. Für sich betrachtet brachten die Flyer kaum Erfolg (gemessen in neuen Abos). Es ist aber trotzdem sinnvoll, glaubt Marc-Stefan Andres: „Man kennt das ja von sich selbst: Man hat sowas im Briefkasten, guckt kurz drauf und schmeißt es weg. Man hat es aber irgendwie gespeichert.”
  • RUMS hat Redaktionsräume direkt in der Innenstadt von Münster. Weil die Räume im Erdgeschoss liegen, können die Fenster gut zur Eigenwerbung genutzt werden. Gleichzeitig ist die Redaktion ein Ort für Veranstaltungen und somit Treffpunkt für die Stadtgesellschaft.
  • Im Dezember bespielte RUMS eine eigene Bude auf einem Weihnachtsmarkt in Münster. Dort wurde nicht nur Merchandise verkauft, sondern auch Interviews mit gemeinnützigen Organisationen aus Münster geführt, die wiederum in ihren Kanälen auf RUMS aufmerksam machten.
  • Im Januar ging RUMS eine Kooperation mit dem Straßenmagazin „draußen” ein. Das Magazin durfte kostenfrei drei RUMS-Reportagen abdrucken, RUMS wurde dafür auf dem Cover und im Magazin erwähnt. Weitere Kooperationen gibt es mit verschiedenen Journalistenschulen oder Unis.
  • RUMS macht Sponsoring für das Mädchenfußballteam von Borussia Münster und hat es mit Trikots, Hoodies und einem Banner ausgestattet. RUMS will damit nicht nur die Eltern erreichen und sich weiter in der Stadt verankern, sondern auch Haltung zeigen, weil Frauenfußball von anderen Medien in Münster nahezu komplett ignoriert wird.
  • RUMS hält engen Kontakt zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Stadt, hält Vorträge bei Rotary-Clubs oder lädt sie auch zu sich ein.
  • Vor allem zum Start 2020 war Pressearbeit ein entscheidendes Tool um viel Aufmerksamkeit zu bekommen. „Die gewinnbringendste Marketingaktion überhaupt war ein Bericht über uns in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen”, sagt Marc-Stefan Andres, „wir haben viele Menschen erreicht, die wir sonst nie erreicht hätten.” Innerhalb eines Tages nach dem Bericht schlossen rund 200 Menschen ein Abo ab.

Was wir gelernt haben: 

  • Einzelerfolg von Maßnahmen ist nicht so entscheidend: Eine Maßnahme für sich betrachtet, bringt auch bei RUMS selten durchschlagenden, messbaren Erfolg. Viel entscheidender ist, viele verschiedene Touchpoints zu kreieren. Ein guter Anhaltspunkt ist die 3-mal-5-Regel von Steady: Ihr müsst die Leute 5 mal Fragen, damit 5 Prozent bereit sind, 5 Euro im Monat zu bezahlen.
  • Persönlicher Kontakt ist immens wichtig: Es ist vielleicht kein Marketing im eigentlichen Sinne, aber jedes Gespräch auf dem Weihnachtsmarkt, jede Veranstaltung, jede persönliche Mail erhöht die Bindung an die eigene Marke mehr, als es jeder Flyer oder jede Social-Media-Anzeige je könnte. Für Community-zentrierte Ansätze ist Vertrauen und Bindung schaffen wahrscheinlich wichtiger, als jede Marketingaktion. Und es wirkt sich vor allem positiv auf den nächsten Punkt aus.
  • Mund-zu-Mund-Propaganda fördern: RUMS hat die Erfahrung gemacht, das Empfehlungen von Freunden, Bekannten oder der Familie am zielsichersten zu neuen Abos führt. Das zu unterstützen oder aktiv dazu aufzurufen kann also sinnvoll sein.
  • Content ist King (nach wie vor): Und zwar in allen Bereichen. Reine Facebookwerbung verliert gegen Sponsored Content, Newsletter mit relevanten oder exklusiven Inhalten werden häufiger weitergeleitet, spannende Veranstaltungen sind besser besucht usw.

Du hast eigene Erfahrungen oder Use cases, die wir aufnehmen sollen? Dann schreib einfach eine E-Mail an tobias.hauswurz@beabee.io.