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Call-outs sind eine gute Möglichkeit, die Community in die Berichterstattung mit einzubeziehen. Die Mitglieder können ihre Sichtweise mitteilen, ihre Fragen stellen und einzelnen Aspekten Gewicht geben. The Bristol Cable hat mit einem Call-out zum Klimawandel herausgefunden, was ihre Mitglieder an dem Thema wirklich interessiert und wer sich als Experte einbringen kann. Lies hier, wie genau The Bristol Cable ihren Climate Call-out geplant, durchgeführt und ausgewertet hat:

Was genau sind eigentlich Call-outs?
  • Call-outs sind Online-Umfragen zu einem bestimmten Thema oder Schwerpunkt, an dem die Redaktion arbeiten will. The Bristol Cable nutzt solche Umfragen regelmäßig, um in die Community hineinzuhorchen.
  • The Bristol Cable legt Call-outs methodisch unterschiedlich an, je nachdem, was am besten zur Strategie passt. Offene Fragen liefern echte Einblicke in die Gedankenwelt der Community, geschlossene geben einen guten Überblick, wie die Community tendenziell über ein bestimmtes denkt. Mit Abstimmungen wiederum lassen sich Themen gut gewichten.
  • Kurz vor der Kommunalwahl im Mai konnten die Mitglieder zum Beispiel ihre Agenda mit den wichtigsten Themen für Bristols Politik gestalten.
Wie der Climate Call-out von The Bristol Cable funktioniert hat

„Berichtet doch mal mehr über die Auswirkungen des Klimawandels in Bristol!“ Das hatten Mitglieder von The Bristol Cable immer wieder gefordert. Keine Frage, ein wichtiges Thema. Das war auch der Redaktion klar. Nur den richtigen Dreh zu finden, war bisher die Schwierigkeit. Deshalb sollte die Community bei der Planung des neuen Themenschwerpunktes von Anfang an mit einbezogen werden.

Lucas Batt, Membership Coordinator von The Bristol Cable, hat uns Schritt für Schritt erklärt, wie er und das Team den Call-out geplant, durchgeführt und ausgewertet haben. Hier die Schritte im Überblick:

  1. Eine Strategie entwickeln: Wie kann die Community beim Thema Klimawandel helfen?
  2. Fragenkatalog, Umfrage und E-Mail erstellen und abschicken
  3. Erste Antworten analysieren und Feedback von Teilnehmenden einholen
  4. Anpassen und erneut verschicken
  5. Antworten auswerten
  6. Für die Teilnahme danken
Eine Strategie entwickeln: Wie kann die Community beim Thema Klimawandel helfen?
  • Im ersten Schritt hat das Team definiert, was das Engagement in diesem Fall überhaupt bringen soll und in einem Ziel festgehalten: “Wir wollen freie Journalisten, Umweltschutzaktivisten, Cable-Mitglieder und Leser zusammenbringen, die uns gemeinsam helfen, eine Artikel-Reihe zu produzieren.”
  • Das führte zur Frage, was die Mitglieder und weitere Leserinnen und Leser dazu beitragen können. Die Antworten hielt das Team in einem Google Jamboard fest:

Das Google-Jamboard, das das Team zur gemeinsamen Beantwortung der Frage genutzt hat.

  • Das Team identifizierte auch schon vorab mögliche Kooperationspartner, zum Beispiel freie Journalistinnen und Journalisten, die schon zu Umweltthemen gearbeitet hatten und lokale Klimaschutzorganisationen.
  • Langfristig soll eine “Infrastruktur” entstehen, um die Cable-Berichterstattung über Umweltthemen generell zu verbessern.
  • Alle Ziele und mögliche Kooperationspartner hielt Lucas in einer Engagement-Strategie fest.
Fragenkatalog, Umfrage und E-Mail erstellen
  • Anhand der Engagement-Strategie entwickelte Lucas den Fragebogen und arbeitete insgesamt fünf Fragen heraus:
    • Was wüsstest du gerne über die Rolle Bristols im Klimawandel, zum Beispiel wie Bristols Unternehmen dazu beitragen oder die Stadt dagegen kämpft? (offene Frage)
    • Welche Fragen hast du darüber, welche Auswirkung der Klimawandel auf Bristol haben wird? (offene Frage)
    • Gibt es bestimmte Themen oder Probleme, über die wir im Zusammenhang mit dem Klimawandel berichten sollten? (offene Frage)
    • Bist du ein Experte zum Thema Klimawandel oder hast du persönlich schon die Auswirkungen des Klimawandels gespürt? (Ja/Nein)
    • Sollen wir dir regelmäßig Updates zu Klima- und Umweltthemen per E-Mail schicken? (Ja/Nein)
  • Für die Erstellung der Umfrage nutzte Lucas das eigene Umfragetool im Mitgliedersystem der Bristol Cable. Google Forms oder Typeform hätte in dem Fall aber genauso funktioniert.
  • Die E-Mail, um auf den Call-out aufmerksam zu machen, erstellte Lucas in Mailchimp. Hier siehst du die fertige Version:

Die E-Mail, die Lucas an die Community geschickt hat.

  • Vor dem Senden des Call-outs wurde alles ein letztes Mal überprüft: Haben sich noch Fehler eingeschlichen? Wie sieht das Layout der Mail aus? Funktioniert die Umfrage? usw.
  • Danach gingen die Mails an zwei Listen in Mailchimp raus: An Mitglieder und Nicht-Mitglieder.
Erste Antworten analysieren und Feedback einholen
  • In den ersten 24 Stunden trudelten die ersten Antworten ein, vor allem von Mitgliedern. Genauso nach einer Erinnerung an den Call-out im wöchentlichen Newsletter der Bristol Cable zwei Tage später.

The Bristol Cable nutzt Grafana, um die Antworten auf Call-outs zu visualisieren.

  • Die Auswertung der Antworten erfolgte dann entlang von zwei Kategorien:
    • Fragen und Ideen für die Berichterstattung
    • Identifizierung von Experten
  • In einer Tabelle hielt das Team die Antworten auf die einzelnen Fragen fest, um sie schnell scannen und nutzen zu können und auch mögliche Experten zu erkennen.
  • Gleichzeitig verschickte das Team eine Feedback-Umfrage an besonders engagierte Bristol-Cable-Mitglieder: Haben sie den Call-out gesehen? War die Umfrage leicht verständlich? War es schwierig, Antworten zu finden? Was könnte verbessert werden?
Anpassen und erneut verschicken
  • Durch das Feedback wurde klar: Die Umfrage kam sehr gut an. Ein Problem war aber, dass die meisten den Call-out schlicht nicht gesehen hatten.
  • Das Team formulierte also eine neue E-Mail und schickte den Call-out unverändert noch einmal raus – allerdings nur an diejenigen, die bisher noch nicht geantwortet hatten.
Antworten analysieren
  • Insgesamt antworteten rund 118 Menschen auf den Call-out. Lucas fasste ihre Antworten in einem großen Google-Doc zusammen, sortierte sie thematisch und hob Besonderheiten hervor.
  • Das Dokument war am Ende rund 30 Seiten lang und für die Arbeit in der Redaktion zu umfangreich. Deshalb erstellte Lucas noch mal eine Kurzversion und fasste auf zwei Seiten die wichtigsten Themenfelder und häufigsten Fragen zusammen
  • Lucas hat uns die Kurzversion zur Verfügung gestellt:

Für die Teilnahme danken
  • Kurze Zeit nach dem Call-out verschickte die Redaktion noch eine E-Mail an alle, um für die Teilnahme zu danken und zu erklären, was mit den Antworten passieren soll.
  • Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Expertenwissen oder besonderen Geschichten werden gesondert kontaktiert, zum Beispiel per E-Mail oder Telefon.
Das Ergebnis

Zufriedenheitsgrad: hoch – The Bristol Cable ist mit dem Ergebnis des Call-outs sehr zufrieden, weil sehr viele wertvolle Antworten kamen und die Redaktion Expertinnen und Experten identifizieren konnte.

  • 118 Menschen haben auf den Call-out reagiert und ihre Fragen zum Klimawandel in Bristol gestellt.
  • Die Redaktion hat jetzt eine umfangreiche Sammlung (insgesamt 30 Seiten) von Fragen aus der Community, anhand derer sie jetzt Recherchen anstoßen und über die Themen zum Klimawandel berichten kann, die die Community auch wirklich interessieren. Eine der häufigsten Fragen aus der Community war zum Beispiel wann und wie sich der Anstieg des Meeresspiegels auf die Hafenstadt Bristol auswirken wird.
  • Die Redaktion hat jetzt Kontakt zu einigen Expertinnen und Experten, die sich jeweils mit bestimmten Aspekten des Themas gut auskennen und so bei Recherchen helfen können. In ihrer Mitgliederdatenbank haben Sie die Personen entsprechend getagt, um sie später wieder zu finden. Es sind aber noch andere Formen der Partizipation denkbar: Sie könnten zum Beispiel beim fact-checking vor der Veröffentlichung von Artikeln helfen, eine Rolle bei Podiumsdiskussionen einnehmen oder sich in Expertenrunden mit anderen austauschen, was wiederum die Berichterstattung befruchten könnte.
Was wir gelernt haben
  • Gute Planung ist alles: Es ist wichtig, sich genau zu überlegen, was die Community beitragen kann und soll. Wenn das von Anfang an klar ist, spart das hinterher viel Zeit bei der Auswertung. Vor allem kleinere Teams sollten sich genau überlegen, was das Ziel ist und was sie überhaupt leisten können, damit sie sich nicht übernehmen.
  • Der größte Aufwand steckt in der Auswertung: Die wenigsten Redaktionen haben einen Membership Coordinator wie Lucas bei The Bristol Cable. Er hat zwei volle Tage Antworten gelesen, sortiert und die Ergebnisse zusammengefasst. Deshalb: Stellt nur so viele Frage, wie ihr auch auswerten könnt, dafür aber die richtigen. Eine Möglichkeit wäre auch, die Auswertung in andere Hände zu geben. Vielleicht finden sich ja Freiwillige aus der Community oder Studierende, die sich etwas dazuverdienen wollen.
  • Keine Scheu vorm zweiten Versuch: Wenn sich trotz guter Vorarbeit herausstellt, dass die Fragen oder die Ansprache in der Mail nicht passen, kann es sinnvoll sein, alles noch einmal zu überarbeiten und neu zu verschicken. Gleiches gilt, wenn der Call-out zu wenig wahrgenommen wurde.
  • Quantität ist zweitrangig: Insgesamt haben weniger als 5 % der Bristol-Cable-Mitglieder auf den Climate Call-out geantwortet. Das Ergebnis ist trotzdem gut, schließlich hat die Redaktion jetzt gleich mehrere Ansatzpunkte für Recherchen und Kontakte zu einigen Expertinnen und Experten.
  • Es geht auch um den Prozess: Community-Mitglieder, die nicht am Call-out teilgenommen haben wissen, dass die Redaktion zuhört und die Berichterstattung Ergebnis der Zusammenarbeit mit der Community ist. Zur Arbeit der Redaktion gehört jetzt auch, in den Artikeln immer wieder auf die Beteiligung der Community hinzuweisen.

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