Bei der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche ging es gleich bei mehreren Panels und Workshops um Community-Journalismus und Gründungsthemen. Ich habe hier ein paar meiner Highlights zusammengefasst:

Mit der Community auf Augenhöhe

Besonders spannend fand ich den Input von Johanna Wild über die Tech-Community von Bellingcat. Johanna hat das Investigative Tech Team von Bellingcat gegründet. Das Team entwickelt auch eigene Tools für die Online-Recherche, oft gemeinsam mit Freiwilligen aus der Tech-Community. Johannas wichtigste Erkenntnis aus der Zusammenarbeit: Wer mit einer Community zu tun hat, sollte selbst Teil von ihr sein, sich für die gleichen Themen interessieren, die gleiche Sprache sprechen und die gleichen Werte teilen. Nur dann klappt der Austausch und die Zusammenarbeit wirklich. Ich denke, das lässt sich auf die Arbeit im Community-Journalismus allgemein übertragen. Nur wenn Journalistinnen und Journalisten selbst der Community angehören, mit der sie Journalismus machen, funktioniert es wirklich. Johanna sagt aber auch, dass es trotz aller Nähe und enger Zusammenarbeit auch klare Regeln und Grenzen und unverrückbare Standpunkte braucht. Wer das von Anfang an kommuniziert tut sich dann leichter, wenn es mal Stress innerhalb der Community gibt.

Macht Veranstaltungen!

Im Community-Journalismus sind Austausch und Beteiligung enorm wichtig. Das erreicht man kaum besser, als mit Veranstaltungen. Darüber haben „Karla” aus Konstanz, „Viernull” aus Düsseldorf und CORRECTIV bei einem der letzten Panel beim Netzwerk Recherche gesprochen und große und kleine Formate vorgestellt.

Bei „Karla” heißt das große Austauschformat „Karla Wohnzimmer”. Dort kann die Community zusammenkommen und über ein Thema diskutieren, miteinander, mit Experten und mit der Redaktion. Drei mal hat das seit dem Launch im Herz bisher stattgefunden. Es noch öfter zu machen, wäre zu viel Arbeit, sagt Redaktionsleiterin Wiebke Wetschera.

Aber es muss ja auch nicht immer so aufwendig sein:

Die „Karla”-Redaktion geht einmal die Woche zusammen Mittagessen und die Community kann zum quatschen dazukommen. Es gibt kein großes Programm, nur einen großen Tisch in einem Restaurant in der Innenstadt und an dem wird gegessen und gequatscht. Manchmal kommen zehn Gäste, dann wieder nur zwei, manchmal niemand. Das ist aber auch nicht weiter schlimm.

Die Redaktionsräume von „Viernull”, oder vielmehr der Innenhof davon, wird hin und wieder zum „Viernull”-Büdchen. Aus einem Fenster heraus werden Getränke verteilt, die Menschen kommen ins Gespräch, lernen sich kennen, erzählen Geschichten. Journalismus wird so nahbarer.

Wiederrum aufwendiger sind True-Crime-Stadtführungen, die „Viernull” seit einiger Zeit veranstaltet. Mitgründer Hans Onkelbach war früher Kriminalreporter und führt kleine Gruppen jetzt regelmäßig zu den Orten der Verbrechen, die er selbst damals recherchiert hat.

Auch CORRECTIV Erfahrungen damit gemacht, wie bereichernd es sein kann, Recherchen direkt am Ort des Geschehens zu erleben. Bei einem Waldspaziergang mit Förster kann die Community mit eigenen Augen sehen, was Wassermangel für den Wald bedeutet, anstatt nur die Recherche darüber zu lesen.

Innovative Formate bereichern den Journalismus

Community-Journalismus ist prädestiniert dafür, neuen journalistischen Formaten zu spielen. Mein CORRECTIV-Kollege Jonathan Sachse hat zusammen mit Zeit-Redakteur Christian Fuchs eine ganze Reihe innovativer Formate vorgestellt: vom Yps-Gimmick bis zur Oper. Und sie haben alles auch Online gesammelt, damit jeder ein bisschen stöbern kann.

Republica: Cash, KI und die neue Aufklärung

Die Republica ist jetzt schon ein paar Wochen her, ich wage aber trotzdem noch einen kleinen Rückblick.

Zuerst mal in eigener Sache:

Wir haben mit Sascha Foerster von der Digitalagentur Bonn.social unsere Software beabee in einem Workshop vorgestellt. Sascha ist einer unserer Open-Source-Nutzer und nutzt beabee um seine Mastodon-Instanz Bonn.social zu monetarisieren. Im Workshop hat er unter anderem erklärt, warum er bei uns und nicht bei anderen gelandet ist und wie beabee für ihn funktioniert. Es gibt leider keine Aufzeichnung, dafür aber unsere Präsentation.

Um digitale Souveränität ging es auch in einem von uns gehosteten Panel: Unsere Projektleiterin Julia Hildebrand hat mit Philip Banse von Lage der Nation und Ingo Dachwitz von netzpolitik.org diskutiert, ob unabhängige Medien auch unabhängige Tools brauchen, um nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle aufzubauen und sich nicht von großen Plattformen abhängig zu machen. Wir glauben ja, Medienunternehmen, die sich dafür entscheiden, ihr eigenes Toolstack zu bauen, stehen aber meistens vor großen Hürden. Nicht jeder kann es sich leisten, vor allem auch, weil gezielte  Fördergelder fehlen.

Künstliche Intelligenz zementiert die Macht der großen Plattformen

An künstlicher Intelligenz kam die Republica in diesem Jahr natürlich nicht vorbei. Das Hype-Thema war dort allgegenwärtig und ist es in der Branche auch weiterhin. Wer mal ein bisschen durchatmen möchte und KI aus einer anderen Perspektive betrachten möchte, sollte sich den Republica-Vortrag von Signal-Chefin Meredith Whittaker anschauen. Sie bringt KI in Zusammenhang mit den Datenschutzpraktiken großer Tech-Konzerne:

 

Medienförderung Wiener Art

Die Wirtschaftsagentur der Stadt Wien hat bei der Republica ihr Medienförderprogramme vorgestellt. Beim kleineren Programm geht es um 10.000 Euro Förderung für selbstständige Journalisten oder sehr kleine Medienunternehmen. Ich finde das Modell gut, weil die Hürde, die Förderung zu bekommen, vergleichsweise klein ist. Ein Online-Antrag mit der genauen Beschreibung des Projekts und einer Budgetplanung reicht. Eine Jury entscheidet dann über die Vergabe. Es gibt mehrere Deadlines zur Einreichung pro Jahr.

So etwas wäre auch für viele sehr kleine Medienprojekte in Deutschland enorm hilfreich. Mit 10.000 Euro könnten Gründerinnen und Gründer etwas befreiter die ersten Schritte machen; sie könnten das kleine 1×1 in Betriebswirtschaft lernen, Türklinken putzen, Prototypen testen, vielleicht ein Crowdfunding vorbereiten. Es geht vor allem darum, ein Konzept marktreif zu machen – und danach fit für größere Förderprogramme zu sein. Die Wirtschaftsagentur Wien hat da auch eins im Angebot: Dabei geht es dann um bis zu 100.000 Euro. Aktuell wird aus dem Topf zum Beispiel das inklusive Medienprojekt „Andererseits” gefördert.

Laut der Wirtschaftsagentur wäre es auch möglich, über einen Umweg Projekte in Deutschland zu fördern. Nämlich dann, wenn es Projektpartner in Wien gibt.

Die neue Phase der Aufklärung

CORRECTIV-Publisher David Schraven war übrigens auch bei der Republica. Er hat seinem Vortrag erklärt. was für ihn Community-Journalismus bedeutet und wie es den Journalismus in Zukunft verändern wird. David sieht darin eine Chance, den Verfall des Journalismus gerade im Lokalen und auf dem Land aufzuhalten. Dort seien Medien kaum noch gewinnbringend zu betreiben, deshalb brauche es neue Ansätze. David beschreibt auch, wie er in seiner Heimatstadt Bottrop versucht, ein neues Lokalmedium zu etablieren. Den gesamten Vortrag kannst du dir hier anschauen: